Die Halswirbelsäule – ihr Stellenwert im Säuglingsalter
Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Kopfgelenken und der Haltungsasymmetrie beim Baby?
Die motorischen Funktionen eines Säuglings sind noch auf einem niedrigen Niveau. So kann er beispielsweise in den ersten Lebenswochen noch nicht zielgerichtet und koordiniert greifen. In dieser Zeit haben primitive Muster des zentralen Nervensystems und die Reflexe einen großen Einfluss auf sein Bewegungsverhalten. Gleichzeitig entwickeln sich das Gehirn, die Nervenbahnen und die Muskulatur in dieser Zeit kontinuierlich weiter. Informationen aus dem Bereich der oberen Halswirbelsäule – den Kopfgelenken – werden an das Gehirn geschickt und dort verarbeitet. Ihr Einfluss auf das Lernen und die Prägung im zentralen Nervensystem sind im Säuglingsalter deutlich größer als bei Erwachsenen.
Wir wirkt sich eine Blockade der Kopfgelenke bei Säuglingen aus?
Feine Fühlermechanismen im Bereich der kurzen Muskulatur der oberen Halswirbelsäule vermitteln Informationen über die Haltung bzw. die Stellung von Kopf und Rumpf. Man spricht hier auch vom suboccipitalen Sinnesfeld bzw. dem Nackenrezeptorenfeld. Von hier aus erhält das Gehirn (besonders der Hirnstamm) Informationen, wie die Wirbelkörper und besonders die Gelenke zueinander und gegenüber der Schädelbasis stehen – und somit auch die Information von einer Halswirbelblockade.
Informationen aus den Gleichgewichtsorganen, die an die Nervenkerne im Hirnstamm geschickt werden, beeinflussen die Spannung der Rumpfmuskulatur sowie der Augensteuerung. Nimmt nun die verbindende Nervenbahn diese Informationen auf, gelangen sie zum Rückenmark und steuern die Körperhaltung und Stützreaktion.
Fehlerhafte Informationen können z. B. von einer Blockade der Kopfgelenke – dem Atlaswirbel – herrühren. Sie beeinflussen den motorischen Lernprozess – insbesondere da die ersten Lebenswochen eine besonders sensible Lern- und Entwicklungsphase darstellen. Funktionsstörungen in diesem Bereich können in dieser Lern- und Entwicklungsphase zu größeren Einschränkungen und zu einseitiger Haltung und Bewegung führen.
Dies wiederum prägt die neuronale Entwicklung, die Bildung und Reifung von neuronalen Mustern, die sog. Synaptogenese.
Am Anfang einer willkürlichen Bewegung stehen der Antrieb und die Emotion. Dann wird ein Erregungsmuster entwickelt, das kurzfristig als Kopie gespeichert wird. Rückmeldungen aus dem Körper und der Halswirbelsäule über Bewegungsgeschwindigkeit und Stellung der Gelenke zueinander werden mit der Kopie verglichen. Bei einer fehlerhaften Rückmeldung lernt das Gehirn allerdings fehlerhafte Vergleichsmuster.
Vergleichbar ist dies mit dem Erlernen einer neuen Sprache. Prägt man sich zu Beginn zum Beispiel Wörter mit falscher Betonung ein, so wird man später Schwierigkeiten haben, dies wieder zu korrigieren.
Welche Symptome können bei einer Halswirbelblockade entstehen?
Die Halswirbelsäule und besonders die Kopfgelenke hängen eng mit der neuronalen Verschaltung und dem Gleichgewichtssystem zusammen. Eine asymmetrische Körperhaltung geht häufig mit einem verformten Hinterkopf, einem Plagiocephalus und einer Schädelbasisasymmetrie einher. Die daraus resultierenden Symptome können ein breites Spektrum aufweisen.
Nachfolgend soll hier der Aspekt der Haltung vertieft werden.
Die dem Gleichgewichtssystem zugehörigen Hirnstammkerne generieren elementare Signale, die der Aufrechterhaltung und Gleichgewichtsreaktion dienen. Diese werden über Nervenbahnen zur Rumpf-, Hals- und Nackenmuskulatur geleitet. Die nun stattfindende Koordination läuft primär unbewusst ab. Man muss sich somit keine Gedanken darüber machen, welche Muskeln zu aktivieren sind, um einen Sturz abzufangen.
Gleichzeitig beeinflusst dieses System unterbewusst den Spannungszustand der Muskulatur und prägt Haltungsmuster von Säuglingen, die wir als Überstreckung, einseitige Halte- oder Stellreaktionen beobachten.
Doch der Informationsfluss läuft auch in die entgegengesetzte Richtung, sodass aufsteigende Informationen aus dem Bereich der Kopfgelenke wiederum Eingang in diese neuronale Verschaltung und den Verarbeitungsprozess finden. Gelangen nun fehlerhafte Informationen durch bspw. einen blockierten Atlaswirbel zum Hirnstamm, werden diese von den Rezeptoren gleichermaßen fehlerhaft weiterverarbeitet. Dies entspricht einer Schleifenfunktion der neuronalen Kommunikationswege und bildet die Basis für die Aufrechterhaltung von Funktionsstörungen.
Eine schiefe Wirbelsäule als Folge einer Blockade des Atlaswirbel?
Eine Vorzugshaltung im frühen Säuglingsalter hinterlässt Spuren im neuronalen Muster des zentralen Nervensystems. In der Folge kann es zu einer Verschiebung der Information über die Körpermitte führen. Diese Verschiebung ist zunächst funktioneller Natur, kann sich jedoch nachhaltig auf die körperlichen Strukturen auswirken und sich in einer schiefen Wirbelsäule (einer Skoliose) manifestieren. Doch bei einer solchen Prägung des neuronalen Musters reicht die alleinige Wiederherstellung der Mobilität der oberen Halswirbelsäule nicht aus. Das heißt, die alleinige Behandlung der Kopfgelenke, wenn der Atlaswirbel blockiert ist, ist nicht ausreichend.
Es müssen Haltungsmuster auf allen Ebenen korrigiert werden, denn die gestörte Verarbeitung von Informationen greift im Hinblick auf die motorische Symmetrie und Haltung viel tiefer als die rein mechanische Funktionsebene – wie sie ein blockierter Halswirbel darstellt.
Je länger solche Störungen fortbestehen, desto tiefer graben sie sich letztlich als Spur in die Funktion motorischen Verhaltens eines Kindes ein. Je tiefer eine Verankerung im neuronalen Netzwerk erfolgte, desto schwieriger und langwieriger wird der therapeutische Prozess der Umprogrammierung.
Welche Maßnahmen gehören zu einer umfassenden Therapie?
Um die verschiedenen Funktionsebenen erreichen zu können, gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten für Ihr Baby bei Kopfverformung.
Hierzu zählen das
- Bauchlagentraining im Wachzustand (5-mal am Tag für jeweils bis zu 5 Minuten),
- ausgleichendes Handling und Ansprache des Säuglings (Konzept nach Bobath),
- die Beseitigung von Funktions- und Strukturstörungen (Physiotherapie, Osteopathie)
- sowie die variable Lagerungstherapie (anfangs mit Handtuchrollen, bei fortgeschrittener motorischer Kompetenz des Säuglings mit dem Baby Lagerungskissen von VARILAG).
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